Erlebnisbericht: Standortbestimmung
Freitags
ist immer so ein Tag, an dem ich mich oft
körperlich gut fühle. Ich hab aber
noch nicht rausbekommen, woran das liegt. Ich
vermute mal, das die Gewissheit des nahenden
Wochenendes dazu beiträgt :-) Und so ein
Tag war heute. Um 17 Uhr kam ich direkt vom
Büro zur Jahnkampfbahn, wo schon reges
Treiben herrschte. Ein junger Trainer veruchte
verzweifelt, eine Horde von kleinen Kindern zu
bändigen und ihnen wenigstens ansatzweise
ein wenig körperliche Ertüchtigung
zukommen zu lassen. Aber nur, so lange die
ausgeprochen kurze Aufmerksamkeitsspanne der
Kleinen dies zuließ. Es wirkte ein wenig
wie Don Quijote auf mich.
Das
Wetter war prima. Mit 16°C zwar ein bisschen
kühl und bedeckt, aber zum Laufen ganz
angenehm. Ausserdem hielt sich der WInd
zurück, was auf der Laufbahn ja auch immer
wieder störend sein kann. Nachdem ich ein
bisschen in der Gegend rumgemöhnt hatte
wurde es Zeit, in meine froschfarbenen
Laufklamotten zu schlüpfen und mich ein
bisschen warmzulaufen. Etwas schwerfällig
fühlte ich mich nach dem stundenlangen
SItzen auf meinem Bürostuhl schon. Aber
nach der dritten Runde kam das gute
Laufgefühl wieder zum vorschein. Leider
wurde mir ganz plötzlich etwas unwohl,
vermutlich wegen der Aufregung. Naja, ich bin ja
auch seit meiner damaligen Bestzeit in 1988
kein einziges mal wieder diese Strecke gelaufen.
Die
Trainingsergebnisse waren ein wenig
ernüchternd gewesen. Zweimal war ich
intervallmäßig auf der Piste (die
ersten Intervalle in diesem Jahr ;-), beide male
über 4x400 Meter, wobei ich das
Intervallprogramm meines Garmin 305 ausprobiert
habe. Zeiten von um und bei 1:25 Minuten waren
im Schnitt dabei rumgekommen, so dass ich mir
schon gedacht hatte, wenn ich knapp unter 3
Minuten ins Ziel komme, sollte ich zufrieden
sein.
Während
des Warmlaufens beobachtete ich die
100m-Läufe. Heute fand parallel der
Bacardi-Super-Cup statt, bei dem die
Teilnehmer/innen an einem Abend 100m, 200m,
400m, 800m, 1.500m, 3.000m, 5.000m und 10.000m
laufen durften. Und wie gesagt, als erstes ging
es über 100m und anschließend sollten
um 18:00 Uhr die 800m folgen. Im ersten Lauf
liefen die Super-Cup-Männer, bei denen der
Sieg in 2:33 Minuten wegging. Aber die Jungs
mussten sich ja noch einige Körner für
später aufsparen.
Danach
wurde es dann für mich ernst. Zusammen mit
den Super-Cup-Damen standen neben mir noch vier
weitere "Nicht-Super-Cup-Männer" an der
Startlinie. Nach dem Start rutschte ich auf
Position drei und versuchte, ein lockeres Tempo
zu finden. Der erste lief gleich einen kleinen
Vorprung heraus und wollte keinen Zweifel an
seinem Sieg aufkommen lassen. Vor mir lief ein
gaaanz junger Hüpfer (30 Jahre jünger
als ich!) in einem gelben Trikot und hinter mir
schnaufte ein Philips-Mann.
Die
ersten 200m passierten wir in knappen 40
Sekunden, was ich aber erst hinterher auf meiner
Uhr abgelesen habe. Der junge gelbe lief nicht
ganz das Tempo, was ich mir vorstellte, daher
versuchte ich auf der ersten Zielgeraden einen
halbherzigen Versuch, ihn zu überholen. Das
fand er wohl nicht gut und hielt dagegen. War
mir auch recht, konnte ich noch ein bisschen
entspannen. Der Führende ging ungefähr
bei 1:17 Minute durch Ziel, wir drei Verfolger
lagen etwa 3 Sekunden dahinter, also auch die
zweiten 200m in 40 Sekunden.
Ausgangs
der dritten Kurve ging dann der Philips-Mann
fast explosionsartig und mit einem lauten
Schnaufen an mir und meinem jungen
Vorläufer vorbei. Hätte ich mich fast
von demotivieren lassen. Aber nur fast. Ich
dachte echt schon, dass der Zug jetzt abgefahren
sei, da zeigte mein gelber Freund eine winzige
Schwäche, so dass ich ich kurz vor der
letzten Kurve mit einer kleinen
Tempoverschärfung an ihm vorbeikam. Das
Tempo in der Kurve moderat erhöhend
erreichte ich den Philips-Mann, der nun ein
gefundenes Fressen zu sein schien.
Ich
erhöhte das Tempo ein weiteres mal bis fast
auf maximale Sprintgeschwindigkeit. Der
Philips-Mann blickte kurz rüber und hielt
dagegen. Aber als er merkte, dass seine
Endgeschwindigkeit nicht ausreichte und ich mir
heute nicht die Butter vom Brot nehmen lassen
wollte, ließ er mich gewähren. Den
Führenden bekam ich zwar nicht mehr zu
fassen, aber ganz so weit war er letztendlich
auch nicht vor mir. Daher muss ich sagen, dass
ich mit dem zweiten Platz und vor allen Dingen
mit dieser unerwarteten Endzeit mehr als
zufrieden war. Eine Sekunde nach mir finishte
der junge Wilde, hauchzart vor der
Philipps-Lokomotive.
In
der Überschrift habe ich den Titel
"Standortbestimmung" gewählt. Und zwar habe
ich mir seit dem Lauf im Hammer
Park öfters die Frage gestellt, ob
ich vielleicht mein Talent auf den langen
Strecken vergeude und vielleicht wieder
zurück zu meinen Wurzeln, sprich der
Mittelstrecke gehen sollte. Und ich muss sagen,
dass mich der Ausflug heute bestätigt hat.
Ich will mal schauen, wie ich so über den
Winter komme, um dann vielleicht im Sommer das
ein oder andere mal auf die Tartanbahn
zurückzukehren...
Auszug aus der Ergebnisliste
BSV-Bestenliste 2012 (Top 15)
Gleich nach dem Bahnabschluss kam auch die Bestenliste raus, in der ich sogar zweiter in der M40 geworden bin :-) Das lässt doch hoffen...
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