Meinungen können abweichen. So auch meine. Wie es dazu kam lest selbst. Im letzten Jahr wurde vom Veranstalter ein zweiter Halbmarathon ins Leben gerufen und "FAN" getauft. Die ursprüngliche, deutlich härtere Strecke blieb erhalten und firmiert seitdem unter dem Label "FANATIC". Da ich neben der Bergziege² schon zwei Mal den fanatischen Halben mitgelaufen war, wollte ich mir am heutigen Tag zwecks Erkenntnisgewinn einmal die neue Strecke zu Gemüte führen.
Der Veranstalter führt den Lauf unter der Headline "
BLANKENESER HALBMARATHON FAN. Unsere neue Laufstrecke für Halbmarathon-Einsteiger." und umspielt den willigen Läufer mit den Worten "
... glänzt mit sanften 140 Höhenmetern und ist unserer Meinung nach für jeden Hobbysportler mit Halbmarathonambitionen geeignet.". Nachdem ich den Lauf in seiner ganzen Länge kennenlernen durfte muss ich sagen, dass ich dem nicht unbedingt zustimmen kann. Vielleicht sollte man besser schreiben, dass der Lauf eher was für "erfahrene Einsteiger" ist ;-)
Das Wetter war allererste Sahne, allerdings mehr für die Zuschauer. Seit Mitte der Woche schob sich
Hoch Gerd übers Land und bescherte uns strahlenden Sonnenschein mit Temperaturen von über 30°C. So verabschiedete ich mich von irgendwelchen Zeitvorgaben und machte mich auf den Weg Richtung Waterkant.
Erster Tagesordnungspunkt war der Zieleinlauf von Klaus, der es sich nicht nehmen lassen wollte, die Mühen und Leiden beim Überwinden der 1.200 Bergziegen²-Stufen zu genießen. Bei den Anstrengungen war es kein Wunder, dass er wie ein nasser Lappen ins Ziel trabte. Es kostete mich etwas Überwindung, ihn herzhaft in den Arm zu nehmen und hab das Ganze mal unter "kleine Erfrischung" gebucht. (Wie Klaus mir später berichtete, war er so nass, weil er sich an einer Versorgungsstation gleich mal einen Becher kaltes Wasser in den Nacken goss. Ansonsten betonte er aber, daß es ihm gut ginge und er froh war, auch mit deutlich jüngeren Ziegen noch Schritt gehalten zu haben.)
Danach ging es fast Übergangslos weiter. Angelika lief mir über den Weg und wir schlenderten gemeinsam zum Start, der um 11:30 Uhr stattfinden sollte. Die 11-Kilometerläufer (unter Heldenlauf-Experten MEZZIS genannt) rauschten gerade durch den Startkanal an uns vorbei und machten Platz, so dass wir uns eine schattige Stelle im Startbereich suchen konnten. Hier lernte ich auch das "Naturtalent" kennen, ein Bekannter von Angelika, gebürtig irgendwo in Afrika mit enstprechenden Ambitionen für die ganz vorderen Plätze.
Im Augenwinkel sah ich, wie die Kanone für den Startschuss vorbereitet wurde, was aber einige meiner Laufkollegen um mich rum nicht mitbekamen. Als dann der Herzschlag-Countdown runtergezählt wurde und es ganz plötzlich irre laut krachte, wären ein paar fast tot umgefallen, so sehr haben sie sich erschreckt. Aber der Effekt ist schon beeindruckend. Soll wohl mal ein ehemaliges Theater-Utensil gewesen sein.
Wie schon vermutet begann die Zeitnahme erst am Ende des doch recht langen und engen Startkanals. Wobei ich ganz gut durch kam und man danach prima und frei laufen konnte. Nun stellte sich aber die Frage nach dem geeigneten Lauftempo. Ich versuchte es mal mit einem lockeren 5er Schnitt, immer mit dem Gefühl noch möglichst viel Luft nach oben zu haben.
Nach etwa drei Kilometern einrollen auf dem Elbuferweg querten wir den Wesselhoeft -und Westerpark und genehmigten uns die erste kleine Steigung. Ich kannte sie schon aus den Vorjahren und versuchte hier im Schatten der Bäume möglichst entspannt hochzukommen.
Zwischen Kilometer 4 bis runter zur Elbchaussee wurden die erarbeiteten Höhenmeter wieder vernichtet, was ganz angenehm war. Danach ging es erneut hoch bis hinter Kilometer 8. Um uns rum liefen jetzt viele vor uns gestartete, die wir überholen durften. Probleme mit Läufern, die den Weg versperrten hatte ich nicht. Allerdings wunderte ich mich, dass ich so viele gehen sah. Muss wohl an den Temperaturen gelegen haben ;-)
Nach der Elbchaussee gings durch den Hirschpark und langsam fing es an, anspruchsvoll zu werden. Ich meine nicht vom Terrain, sondern von der Beschilderung. Man musste schon ganz gut aufpassen, wann man an welcher Stelle abbiegen musste. Auf der Blankeneser Hauptstraße angekommen flog dann Kilometer 9 an mir vorbei. Herrlich, wenn man so entspannt runterrollen kann. Allerdings hatte ich etwas Schwierigkeiten, zu erkennen, welche der Kilometermarken denn meine seien, bis ich auf einem blauen das Wort "FAN" entdeckte. So wurden die roten Schilder halt ignoriert.
Unten auf dem Strandweg angekommen hatte ich die Schilder und deren Farben verinnerlicht und konnte mich um andere, notwendigere Dinge kümmern. Nach Kilometer 10, der in 51 Minuten passiert wurde, fummelte ich mir meine Verpflegung in Form eines halben Amerikaners raus. Eine ziemlich trockene Sache, aber ich hatte gelesen, dass auf dem Falkenthaler Ufer ein Getränkestand kommen sollte, auf den ich mich schon freute.
Denn entlang der Elbe laufend war der Schatten ausgesprochen rar geworden und das Quecksilber kletterte auf 34°C. Dementsprechend dankbar war ich auch, als ich den Getränkestand endlich erreichte und mir das kühle Nass über den Kopf und in den Magen laufen lassen konnte. Frisch gestärkt konnte ich die zweite Hälfte in Angriff nehmen und war überrascht, dass ich eine ganze Reihe von Mitläufern einsammeln konnte. Waren vermutlich die weniger erfahrenen Einsteiger, die der Hitze jetzt ihren Tribut entrichten durften.
Als erstes kassierte ich einen baumlangen Basketballspieler, dem seine Größe und Gewicht nun zum Verhängnis wurde. Ich zog locker vorbei und nahm den nächsten, einen jungen Läufer in grauem Shirt ins Visier. So machte das Ganze trotz der Hitze echt Spaß. Aber der verging mir ganz schnell, nachdem ich kurz vor Kilometer 14 das Unterfeuer Wittenbergen passiert hatte. Wieder in der prallen Sonne laufen sah ich, dass die vor mir laufenden rechts abbogen und gemächlich eine Treppe raufkraxelten.
Ich entschied mich dort angekommen ebenfalls für einen Fußmarsch hoch zum Otto-Scholl-Höhenweg, was ganz vernüftig war. Wäre ich die Treppe schneller hochgeeilt, hätte ich gnadelos die Quittung bekommen. Kurz vor Kilometer 15, den ich in 1:17 Stunde passierte, war der westlichste Punkt der Strecke erreicht und eine ca. 3 Kilometer lange, leichte Steigung wartete auf uns.
Es ging entlang dem Oberfeuer Tinsdal, um dann vor Kilometer 16 in den Wald abzubiegen. Intern nannte ich diesen Teil die Dschungelpassage, da man teilweise durchs Unterholz auf Singletrails und wurzelübersäten Wegen laufen musste. Einen "roten" hatte ich bereits kassiert als auf einmal das oben erwähnte Naturtalent vor mir auftauchte. Langsam trabend und staubübersäht hatte er seine Laufschuhe in der Hand. Später erfuhr ich, dass er an der Spitze liegend die Getränkeversorgung ignoriert hatte und dadurch dehydriert stürzte. Mir tat er total leid, als ich mich an ihm vorbeischlängelte.
Bei Kilometer 18 konnte ich noch zwei neongelbe Laufkollegen einsammeln, als dann endlich die Steigung vorbei war. So langsam war ich auch durch und hatte nicht mehr viel zuzusetzen. Aber bis ins Ziel war an dieser Stelle kein Problem mehr. Obwohl auf der Karstenstraße die Sonne noch mal richtig reinknallte, war das Gefällte sehr angenehm. Cooles Gefühl, mal nicht im großen Pulk, sondern ganz alleine ins Ziel zu laufen. Hat trotz der Hitze echt Spaß gemacht, aber ich muss sagen, dass ich von der Strecke her die alte "FANATIC" Variante bevorzuge.
Temperaturverlauf (Anklicken zum Vergrößern)Streckenkarte (Anklicken für Details)Daten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter CC-BY-SA 2.0Höhenprofil (Anklicken zum Vergrößern)