Was soll man machen, wenn einem die Pulsuhr suggeriert, dass man in Höchstform sei, sich das aber vor Ort gar nicht so anfühlt? Wenn ganz im Gegenteil ein flaues Gefühl im Bauch vorherrscht und man komplette Unlust verspürt, wenn beim Einlaufen der Puls in höhere Regionen gebracht werden soll? Ok, man kann seine Sachen packen und wieder nach Hause fahren. Man kann sich aber auch an die Startlinie stellen und schauen, was trotzdem möglich ist. Ich hab mich für zweiteres entschieden. Logisch.
Vor
sechs Jahren war ich das letzte Mal bei diesem Lauf dabei, daher fiel es mir leicht, mich hier wieder anzumelden (schlechtes Gewissen und so) und meinen vierten Lauf in der Sommercup-Wertung zu bestreiten. Mental war ich auf knackige Wärme jenseits der 30°C eingestellt, war aber erfreut, dass es dann doch nicht zu einer Hitzeschlacht kam und sich die Temperatur bei 17°C eingependelt hatte.
Ebenfalls erfreut war ich, dass sich mit Heidi, Iris, Axel, Michael und Danny wieder die üblichen Verdächtigen angemeldet hatten, um mit mir gemeinsame Sache zu machen. Das macht Spaß, wenn man nicht wie
in Schwerin allein auf weiter Flur unterwegs ist. Noch beim Einlaufen tröpfelte leichter Nieselregen über das Stadion, der sich aber schnell verzog und es beim Lauf selbst trocken blieb.
Um 18:25 Uhr schickte uns Starter Bernd auf die Kurzstrecke, um zuerst zwei Runden im Stadion zu drehen, dann ca. 2 km durch das Parklabyrinth zu irren und am Ende 300 Meter wieder auf der Tartanbahn ins Ziel zu sprinten.
Auf der ersten Runde setzte ich mich an Position 6 und lief direkt hinter Nils, einem AK-Kollegen, der in der Gesamtwertung einen Platz hinter mir rangiert. Das Tempo war recht angenehm und ich versuchte, nicht ganz so doll auf dem Gas zu stehen, wie sonst. Nach 400m blinzelte ich auf die Uhr und sah eine 1:37 Minute.
Ich passierte die Startlinie ein weiteres Mal bei 3:24 Minuten, also ca. 10 Sekunden langsamer als auf Runde 1 und wurde anschließend von der ersten Frau überholt. Nach weiteren 100 Metern ging es über einen holperigen Grasabschnitt aus dem Stadion raus in den Park. Hier wurde Nils langsamer, so dass ich ihn passieren konnte.
Auf dem Parkweg angelangt war das Laufen wieder angenehmer. Die Uhr piepste bei Kilometer 1 und zeigte 4:20 Minuten. Danach überholte mich Sönke, der den Eindruck erweckte, es irgendwie eilig zu haben. Daher ließ ich ihn ziehen und konzentrierte mich auf die Strecke. Ich weiß nicht, ob es anderen auch so geht, aber wenn ich relativ am Anschlag laufe, dann kommt mir jede winzige Delle wie eine ordentliche Steigung vor. Und die Strecke hat nur ein paar pieselige Höhenmeter, von denen ich aber jeden einzelnen davon deutlich gemerkt habe.
Nachdem Sönke und ein weiterer Läufer an mir vorbeigezogen waren, begann für mich ein Sololauf. Nach der Spitzkehre schleppte ich mich den nächsten Höhenmeter hoch und merkte, wie langsam die Unlust wieder hochkam. Außerdem rechnete ich damit, dass Axel vor dem Start etwas tiefer gestapelt hatte und mich wie
beim City Nord Lauf zum Ende hin noch einsacken könnte.
Das Labyrinth, welches wir durchlaufen mussten, hat den Vorteil, dass einem kurz vor Kilometer 2 die hinter einem laufenden
durch ein Flatterband getrennt kurz entgegenkommen. Hier erspähte ich Axel mit Iris im Schlepptau mit ca. 200 Metern Rückstand. Das sollte doch eigentlich reichen, oder? Bei Kilometer 2 stand eine 4:53 auf der Uhr. Hupsi, das war ja ganz schön langsam geworden, aber ich hatte das Gefühl, meinen Tiefpunkt nun überwunden zu haben.
Nach Kilometer 2 verläuft die Strecke ganz leicht abfallend im Bogen zu einem kleinen Teich, der umrundet werden muss. Auf diesem Stück konnte ich wieder ein wenig Tempo aufnehmen und bereitete mich schon mental auf das
holperige Rasenstück am Stadion vor. Im stillen Kämmerlein hatte ich mir überlegt, die 3,1 Kilometer unter 14 Minuten laufen zu wollen. Dafür müsste ich dann bei etwa 12:45 ins Stadion einbiegen, um die restlichen 300 Meter mit einer 4:10er Pace hinter mich zu bringen.
Hinter mir hörte ich Schritte und bog nun vom Parkweg auf die Grasnarbe. Da wird sich doch nicht etwa Axel angeschlichen haben? Zurück auf der Tartanbahn erspähte ich eine 12:37 und war mir sicher, die 14 Minuten heute knacken zu können. Obwohl, ... ein bisschen egal wars mir zu diesem Zeitpunkt trotzdem, weil ich mich "etwas" außer Atem fühlte.
Das änderte sich schlagartig, als sich "die Schritte" an mir vorbeimogelten. Glücklicherweise war es nicht Axel, sondern Utz aus der M60er-Klasse. Sein Tempo war so angenehm, dass ich mich trotz Atemnot in seinen Windschatten klemmen konnte. Das war einigermaßen aushaltbar. So liefen wir bis zum Scheitelpunkt der Zielkurve, als mich urplötzlich die zweite Luft ereilte. Keine Ahnung, was da passiert war. Aber auf einmal hatte ich so ein Kickdown-Gefühl, wie beim Durchtreten eines Gaspedals bei Automatikgetriebe.
Ich schob mich ohne Gegenwehr an Utz vorbei und zog auf den letzten 150 Metern die Pace von 4:00 gesteigert auf 3:31 hoch. Und wie vermutet blieb die Uhr für mich im Ziel dann doch deutlich unter 14 Minuten stehen. 13:49 Minuten bzw. ein Schnitt von unter 4:30 Min./km sind klasse und im Moment das Ende meiner Fahnenstange. Da ich mich tempomäßig im Vergleich zu den vorigen Läufen verbessert habe, will ich mal meiner Uhr glauben schenken, dass das grad meine Höchstform gewesen sein soll ;-)
Erfreulich war auch das Abschneiden meiner Teamkolleg:innen. Zwei Top-Ten-Platzierungen, ein AK-Sieg, sowie zwei zweite und zwei dritte Plätze waren die Ausbeute des heutigen Tages. Nicht zu vergessen sei auch der zweite Platz in der Männer-Mannschaftswertung der Kurzstrecke zusammen mit Axel und Michael :-) Ich konnte zudem meinen 2. Platz in der Sommercupwertung zementieren, so dass die Silbermedaille für mich sicher ist. Die anderen müssen noch im Stadtpark Ende August ran, um nicht aus der Wertung zu fallen bzw. direkte Konkurrenz abzuwehren, die noch eine theortische Chance hätte, sich vorbeizuschieben.
Update: Ich hab noch mal genau geschaut. Iris und Axel sind durch und haben ihre Plätze sicher. Heidi und Michael müssen noch ran, da sie erst zwei der geforderten drei Läufe auf dem Konto haben. Daher an dieser Stelle schon mal Glückwunsch an Axel für Gold in der M50 und Iris zu Silber in der W45.
Zur kompletten Bildergalerie geht es hier lang.
Streckenkarte (Anklicken für DetailsDaten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter CC-BY-SA 2.0