Nachdem ich im Vorjahr den Bodensee-Triathlon erfolgreich beendet und
Chris fasziniert von diesem tollen Event erzählt hatte, reifte in uns die Idee, ein Gemeinschaftserlebnis daraus zu machen und eine Stafette zusammenzustellen. Zu Beginn wollten wir noch einen dritten mit ins Boot nehmen, aber leider fanden wir keinen geeigneten, sodass wir uns die Strecke aufteilten und Chris das Schwimmen und Laufen und ich das Radeln übernahm.
Am Vortag in Konstanz angekommen merkte ich sofort, dass die Stimmung dort irgendwie bedrückt war. Die rennomierte (aber mittlerweile eingestellte) Zeitschrift "Triathlet" titulierte in ihrer Septemberausgabe 1991:
Noch gibt es ihn! Der Überlebenskampf eines Klassikers.
Was war seit dem letzten Jahr passiert, als alles noch in Ordnung war? Die Behörden des Kreises Friedrichshafen wollten die Radstrecke durch ihr Revier nicht mehr genehmigen und brachten fadenscheinige Ausreden wie Urlaubszeit und Personalmangel. Dies hatte zur Folge, dass jeder Radfahrer quasi als Sonntagsradler nach dem Schwimmwechsel die ersten 60 km auf deutschem Boden mit einem Personalausweis in der Tasche zurücklegen sollte, bevor dann die Zeitnahme ab der österreichischen Grenze wieder aufgenommen werden solle.
Ich muss sagen, dass ich schon etwas enttäuscht war, als ich das hörte, da ich mich auf 132 km Tempo und nicht auf eine Sonntagstour gefreut hatte. Wenigstens wurde vom Organisator Hans-Jörg Herzog der Wettkampf nicht abgeblasen, was viele ihm hoch anrechneten.
Nach einer wegen der Aufregung sehr unruhig verlaufenen Nacht frühstückten wir erst mal eine Kleinigkeit und machten uns dann auf, um Chris im Strandbad "Hörnle" abzuliefern. Meiner Meinung nach hätte Chris die "letzte Ölung" weniger ausführlich praktizieren sollen, hatte sie sich doch im Nachhinein als nicht so ganz vorteilhaft herausgestellt.
Da Michaela und ich Chris nun seinem Schicksal überließen und per Autofähre nach Meersburg übersetzten, möchte ich an dieser Stelle erneut professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und die bereits erwähnte Zeitschrift "Triathlet" die Überquerung des Bodensees beschreiben lassen:
Und erschwerend zum starken Seegang kam eben noch der unvorsichtige Umgang mit Melkfett hinzu. Dieses fand auf unerklärliche Weise den Weg in Chris Schwimmbrille und bewirkte dort die vorab beschriebenen Richtungsprobleme.
Als wir abschließend das Schwimmen rekonstruierten, wurde uns klar, dass Chris mehr als einen Kilometer mehr geschwommen sein musste, als vorher angenommen.
Ich stand auf jeden Fall mit Michaela ganz hibbelig am anderen Ufer und erwartete nach (blauäugig) vorausberechneten 1:40 Std. die Ankunft unseres Schwimmers. Aber es wurde immer später und später.
Die anderen Radfahrer machten sich alle auf und davon und es wurde immer leerer um mich herum. Nachdem diverse Gefühlswallungen, angefangen von Freude und Nervosität und dann über Wut und Verachtung durch meinen Körper gingen, machte sich zum Ende doch reichlich Sorge breit, dass etwas Schlimmeres passiert sein könnte.
Aber dann sah ich seinen unverwechselbaren Schwimmstil und in 2:12:55 Stunden kletterte Chris völlig angepestet und erschöpft aus dem Wasser.
"Nun, denn", dachte ich bei mir, "wollen wir mal die vor mir gestarteten Radler einsammeln". Also machte ich mich locker auf, die ersten 60 km bis zur Landesgrenze hinter mich zu bringen. Um nicht ganz den Rhythmus zu verlieren schlug ich ein flottes Tempo an und kam nach etwa 2:15 Stunden an der Grenzstation an. Kurzer Startnummerncheck und los ging es auf die letzten und entscheidenden 72 km. Das Tempo war für mich am Limit und ich wunderte mich, dass die am Horizont gesichteten Konkurrenten nicht näher kamen. Glücklicherweise wurde ich aber auch nicht von hinten überholt, was allerdings auch daran lag, dass nicht mehr viele hinter mir waren.
Als wir zum Ende hin nach Konstanz einbogen, erwischte ich einen Radlerpulk, der vor einer geschlossenen Eisenbahnschranke halten musste und konnte so noch den Anschluss an die letzte Gruppe halten, die im Hockey-Stadion eintrafen. Durch akuten Sauerstoffmangel nahe am Exitus rollte ich auf Chris zu, der bereits mit den Hufen scharrte und darauf brannte, die Schmach vom Schwimmen wettzumachen.
Sein Abklatschen war so heftig, dass es mich in meine Klickpedale zurückdrückte und ich zeitlupengleich mit einem lauten Fluch den Boden küssen durfte. Anschließend konnte ich mich völlig geplättet auf die Decke legen und von Michaela verwöhnen lassen. Nachdem ich so zirka eine halbe Stunde nur nach Luft geschnappt hatte, kam langsam das Leben zurück und Michaela erzählte mir, was bei Christophs Schwimmen los war.
Unterdessen war Chris unterwegs, um auf den verbleibenden 30 Laufkilometern Boden gut zu machen. Und das tat er in beeindruckender Art und Weise. Die Augen tief auf die Waden der anderen Läufer gerichtet (denn dort stand ein "S" für Stafette geschrieben) kämpfte er sich nach vorne. Von den 105 männlichen Startern schaffte er es, in 2:18:57 Stunden schneller zu sein, als 21 seiner Konkurrenten.
Leider schafften wir 'nur' den 101. Platz bei 105 gestarteten Staffeln, aber wir waren trotzdem froh, alles heil überstanden und viele tolle Erinnerungen gesammelt zu haben.
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Streckenkarte Radfahren (Anklicken für Details)Daten von OpenStreetMap - Veröffentlicht unter CC-BY-SA 2.0