Anfang März 2003. Jetzt
beginnt die heiße Trainingsphase. 10 Wochen noch bis zum Ruhr-Marathon.
In den letzten Wochen liefen wir die Hammer Laufserie, ein gutes
Aufbauprogramm... Das Ziel für den Marathon ist schnell erklärt: Jetzt
werden endlich die 4 Stunden geknackt. Jetzt endlich, beim vierten
Versuch.
Ich laufe ab jetzt fast
jeden Sonntag zum Möhnesee. Das sind 24 Kilometer, über den Haarstrang.
Ein anspruchsvolles Bergtraining. Das Ganze wird wöchentlich erweitert
um bis zu vier Runden um das Unterwasser des Möhnesees, bis auf 34
Kilometer. Jede Runde über die Staumauer, Treppen rauf und wieder
runter. Der Marathon soll ja ganz schön bergig werden, über 370
Höhenmeter. Marion holt mich nach jedem Long-Jog vom Möhnesee mit dem
Auto ab.
Anfang April laufen meine
Powerfood-Mitstreiter Michael, Volker und ich einen Halbmarathon in
Harsewinkel. Alle sind sehr zufrieden. Das Marathontraining wirkt mal
wieder. Bei mir kommt eine Zeit von 1:36:59 heraus. Unerwartet schnell.
Aber erst mal abwarten. Das heißt noch nichts. Gute Halbmarathonzeiten
in der Marathonvorbereitung hatte ich schon mehrmals. Für die
4-Stunden-Grenze hat´s aber bisher trotzdem nicht gereicht.
Mitte April fahren wir
eine Woche
nach Bayern in Urlaub. Das haut den ganzen Trainingsplan durcheinander.
Aber... ich laufe viermal, morgens früh, wenn meine drei Frauen noch
schlafen. Zum Frühstück bin ich schon wieder im Hotel. Alle Läufe sind
Bergläufe, bei einem klettere ich sogar auf einer Strecke von ungefähr
5 Kilometern um über 500 Höhenmeter (mit einer Schrittlänge von 25
Zentimetern). Bergtraining habe ich auf jeden Fall genug gemacht.
Ab Anfang Mai beginnt die
Ruhephase. Die Umfänge der Läufe werden weniger. Höchstgeschwindigkeit
ist das angestrebte Marathontempo von 5:30 min pro Kilometer. Nach den
letzten anstrengenden Wochen fällt mir dieses Tempo jetzt sehr leicht.
Wenn ich das auch beim Marathon durchhalten könnte, käme eine Zeit von
gut unter 4 Stunden dabei heraus. Aber das habe ich schon öfter
gedacht. 42 Kilometer sind und bleiben eben 42 Kilometer.
10. Mai. Volker und ich
fahren
nach Dortmund zum Friedensplatz, die Startunterlagen abholen. Hier ist
alles schon vorbereitet. Wir sehen die blauen Dreierstreifen auf den
Straßen. Die Absperrungen stehen schon bereit. In der Marathonmesse
gibt es viel zu sehen, und zu kaufen. Schöne Ruhr-Marathon-T-Shirts für
nur 6,75 €, sogar richtige Funktionshemden. Auf der Startnummer stehen
unsere Vornamen. Ganz schön, aber das liest doch sowieso niemand.
Außerdem bekommen wir einen tollen Rucksack, ein schönes
Marathonhandtuch und noch ein paar Werbeartikel, nicht schlecht.
Langsam aber sicher macht sich doch Aufregung breit...
11. Mai. Um 5 Minuten
nach 3 Uhr
werde ich wach, und kann nicht mehr richtig einschlafen. Blöde
Aufgeregtheit. Da ich erst um 23 Uhr ins Bett gegangen bin, habe ich
nur 4 Stunden geschlafen. Hoffentlich reicht das. Um 5 Uhr stehe ich
dann endlich auf. Waschen, Anziehen , ein kleines Frühstück, und los
nach Dortmund. Zu Volker. Von hier aus fährt uns jemand nach Bochum.
Mit einem kleinen Bus. Michael und Ralf kommen auch mit. Als der Fahrer
kommt, sehen wir, dass der Bus ein Beetle ist. Zu fünft in einem
Beetle, vier Rucksäcke und Taschen zum Teil auf dem Schoß, den Kopf
gegen die Wagendecke gedrückt. So fahren wir nach Bochum...
Wir sind früh genug da
und haben
genügend Zeit uns vorzubereiten. Auf dem Weg zum
Startblock treffen
wir die Welveraner Laufkollegen, den TV-Flerke. Einige wollen laufen,
andere sind nur Schlachtenbummler. Im Startblock brennt uns die Sonne
schon auf den Kopf. Meine rechte Gesichtshälfte wird schon langsam
heiß. Und wir warten auf den Startschuss. Halb 10 ist schon durch. Was
ist mit Herbert los? Verschlafen? Dann kommt Grönemeyer doch noch, und
läßt die 17000 Läufer endlich in Gang kommen. Als wir nach drei Minuten
am Start ankommen, ist von Grönemeyer nichts mehr zu sehen. Schade.
Nena habe ich auch nicht gesehen.
Aber jetzt geht es
endlich los.
Kein Wind (gut), viel Sonne und 23 Grad (schlecht). Schnell das
richtige Tempo suchen, und dann erst mal ruhig angehen lassen. Die
ersten Kilometer rollen wie nichts. Echt viele Zuschauer an der
Strecke, gute Stimmung. Ich erreiche nach wenigen Kilometern den
TV-Flerke. Helmut ruft mir zu, sie wollen auch unter 4 Stunden bleiben.
Ich soll mit ihnen laufen. Das kann ich aber nicht. Mein Wohlfühltempo
ist heute ein kleines bischen schneller und das möchte ich nicht
abbremsen. Im Weiterlaufen ruft mir Helmut hinter her, dass sie mich
wieder einholen werden (und dann auf der Schulter mit nehmen).
Abwarten...
Kurze Zeit später sehe
ich den
Fan-Club vom TV-Flerke. Im Vorbeilaufen mal eben Jürgen, Gaby und
Thorsten abgeklatscht, und weiter. An jedem
Verpflegungsstand halte
ich an, nehme mir zwei Becher Wasser und schütte sie mir über den Kopf.
Wasserkühlung ist eben besser als Luftkühlung. Der Abschnitt von
Langendreer über Werne bis nach Bövinghausen ist sehr anspruchsvoll.
Lange Steigungen und es wird immer wärmer. Die vielen Zuschauer
peitschen uns aber immer weiter. Als die halben Marathonis nach recht
abbiegen, wird mir klar, dass ich erst die Hälfte geschafft habe. Jetzt
noch mal das gleiche Stück.
Gleich in Kirchlinde
stehen
irgendwo unsere Frauen an der Strecke. Einmal kurz für ein Foto
angehalten, und weiter. Hier kommen auch wieder gute Steigungen und
Gefälle. Blöde Kletterei. Gut, dass ich das genügend trainiert habe.
Beim zweiten Treffpunkt mit unseren Frauen in Rahm merke ich, dass
Volkers Frau Tanja mich überhaupt nicht wahr nimmt. Sie schaut zwar in
meine Richtung, sieht mich aber nicht. Als ich wieder nach vorne
blicke, erkenne ich, wen sie angeschaut hat. Direkt vor mir läuft
jemand in einem Post-Trikot. Langer geflochtener Zopf, blasse Haut. Ist
das Joey Kelly? Ich laufe mehrere Kilometer hinter und neben ihm her.
Das ist der, der über 200 Kilometer durch die Wüste gelaufen ist. Und
durch Alaska, und wo noch überall. Ein richtiger Ultra-Kämpfer. Da
sieht er aber nicht nach aus. Ganz schön pummelig...
Weiter in Dortmund merke
ich, dass
es nicht so gut ist, wenn man die Strecke zu gut kennt. Ich muss nur
noch 8 oder 9 Kilometer bis zum Ziel. Aber ich stelle mir immer wieder
die Strecke auf dem Stadtplan vor und denke: Das muss doch mehr als 8
oder 9 Kilometer sein. Im Dortmunder Norden stehen an langen
Teilstücken fast keine Zuschauer an der Strecke. Gerade hier brauchen
wir das aber. Am dritten Treffpunkt mit unseren Frauen klatsche ich
noch mal Marion, Tanja und meine Schwiegermutter Irmi ab. Am
Borsigplatz geht ziemlich die Post ab. Hier ist wieder richtig
Stimmung, hier wird Marathon gefeiert. Wahrscheinlich sind die
Zuschauer alle hier her gegangen. Darum waren die letzten Kilometer
eher ruhig. Ab hier geht es mir langsam aber sicher schlechter. Ich
laufe jetzt direkt an der Krampfgrenze. Wenn ich nur einmal richtig Gas
gebe, ist der Krampf da. Also einfach ruhig weiter laufen.
Den TV-Flerke habe ich
nicht
wieder gesehen. Zum Glück müssen sie mich nicht wirklich auf der
Schulter wie einen nassen Sack ins Ziel tragen... Übrigens rufen auf
der ganzen Strecke viele Zuschauer meinen Namen beim Vorbeilaufen. Die
Idee mit dem Vornamen auf der Nummer ist ein guter Einfall. Kompliment.
Ich nehme alles zurück.
Der Zieleinlauf. Von
meinen vier
Marathons ist das der Ergreifendste. 200 Meter vor dem Ziel stehen
meine Schwägerin Karin (ich habe ja nur eine), Ingo, Markus und Daniel.
Karin schreit meinen Namen, Daniel macht ein Foto. Alle feuern mich
noch mal an. Zusammen mit der geknackten 4-Stunden-Grenze und der
tollen Atmosphäre bekomme ich sofort einen dicken Kloß im Hals. Und
feuchte Augen... Endlich geschafft. 3:52:17, für mich
eine Traumzeit. Und das bei dieser Hitze und der schweren Strecke.
Bis zur Ziellinie gab es
nichts zu
meckern. Jetzt im Ziel klappt das eine oder andere aber dann doch
nicht. Der Teilnehmerbereich ist nicht richtig abgeriegelt. Hunderte
Passanten latschen gemütlich durch den ganzen Bereich. Es wird alles
noch voller, als es ohne hin schon ist. An der Taschenausgabe ist
totales Chaos. Ich stehe 30 Minuten an der Ladefläche von "meinem" LKW
und halte meine Startnummer hoch. Die vier Leute im LKW sind komplett
überfordert. Sie haben alle Taschen durcheinander gestapelt und finden
nichts mehr wieder. Hier und da findet sich ein passender Rucksack zu
einer hoch gehaltenen Startnummer. Alle zwei Minuten mal einer.
Die Finisher-T-Shirts
muss ich
auch erst suchen. Kleine Hinweisschilder wären nicht schlecht gewesen.
Aber genug gemeckert... Ansonsten ist es eine TOP-Veranstaltung: Alle
2,5 Kilometer eine Verpflegungsstelle (mit Bananen und Wasser - siehe
unten beim Amsterdam-Marathon), Ausgabe von Energie-Gels, verschiedene
Getränke im Zielbereich, Obst, Massagen, das Welcome-Package, eine
schöne Marathonmesse, die Pasta-Party im Preis inklusive,
Vorab-Urkunden innerhalb von 3 Minuten ausgedruckt (und das bei soviel
Teilnehmern), und, und, und...
Volker ist 3:58 h
gelaufen,
Michael 4:05 h (und das bei seinem ersten Marathon - Herzlichen
Glückwunsch) und Ralf 5:00 h (Durchfallprobleme). Für diese schwere
Strecke gute Zeiten. Es wird wohl nicht die letzte Teilnahme am
Karstadt Ruhr Marathon bleiben...
Frank Pachura vom
Team
Powerfood
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